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Aitmatow5

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5 Vergleichende Betrachtung des literarischen Schaffens Aitmatows vor, während und nach der Perestroika

5.1 Biografische Elemente
5.2 Märchenerzählungen und Mythen
5.3 Tiergestalten
5.4 Figurencharaktere
5.5 Gestaltungsaufbau
5.6 Gesellschaftskritiken

5.1 Biografische Elemente

Das Leben Aitmatows ist geprägt von geschichtlichen Umstürzen und abrupten Veränderungen. Seine Erlebnisse sind ausreichend und ereignisreich genug gewesen, um seinen Lesern eine eindrucksvolle Biografie mit all seinen guten und schlechten Erinnerungen zu schreiben. Aber diese Biografie „Kindheit in Kirgisien“, welche erst 1998 erschien, ist nicht die erste Niederschrift seiner Kindheitserinnerungen. Seine Werke sind geprägt von der Erfahrung und den Erlebnissen seiner Kindheit und Jugend.

Ein Element, welches der Leser in fast allen seinen Werken von Beginn an immer wieder findet, ist der „kleine Junge“, der ohne Vater aufwächst.

In „Der weiße Dampfer“ steht dieser Junge im Mittelpunkt der Geschichte. Es ist der Verlust des Vaters, den Aitmatow in seinen Werken verarbeitet. Der kleine Junge, so lässt sich vermuten, trägt autobiographische Züge. Der Junge lebt zurückgelassen bei den Großeltern, ohne Vater und Mutter. Er weiß nicht, was den Erwachsenen klar ist, dass die Eltern ihn im Stich gelassen haben. Er steht für eine Figur, die trotz ihrer Unerfahrenheit und einer gewissen Naivität gut entwickelte moralische Vorstellungen hat und immer davon träumt, irgendwann zu seinem Vater zu gelangen. In der Erzählung „Der weiße Dampfer“ zeigt sich das durch den Wunsch des Jungen, ein Fisch zu werden, um zu seinem Vater zu schwimmen. Aitmatow war immer stolz auf seinen Vater und in dem Motiv „Junge“ steckt immer sein eigenes „Ich“.

Dieser kleine Junge erscheint auch im „Das Kassandramal“ im Epilog des Mönches Filofej, in dem er seine Kindheit und die Gründe seiner Entdeckung darlegt. Eine wesentliche Rolle darin spielen seine ersten Lebensjahre. Er ist ein kleiner Junge, ausgesetzt und in einem Waisenhaus aufgewachsen und immer mit der Sehnsucht nach den Eltern. Auch er versteht nicht, warum ihn seine Mutter im Stich gelassen hat. Es ist der Junge, der noch nicht versteht, was die Großen wissen. Man würde in diesem Motiv nicht einmal etwas Biographisches sehen, wenn es nicht von Anfang an in fast allen Werken wieder auftauchen würde, sowohl vor als auch nach der Perestroika.

Aber auch seine Erinnerungen über den Krieg verarbeitet Aitmatow oft. Viele seiner ersten Geschichten, wie „Djamila“ oder auch die „Goldspur der Garben“ erzählen aus der Zeit des Krieges, in denen er auch einige seiner Erlebnisse verarbeitet. Seine Abneigung und Verurteilung des Krieges dabei sind deutlich auf seine Arbeit beim Dorfsowjet zurückzuführen, welche sich bei ihm, dem damals 14jährigen, tief eingeprägt haben. Da er gesehen hat, welches Leid der Krieg bei Menschen anrichtet, die er kennt und gern hat, warnt er immer wieder vor der Zerstörung, die Gewalt und Krieg mit sich bringen.

5.2 Märchenerzählungen und Mythen

Die Mythen und Märchen begleiten Aitmatow schon sein Leben lang. In all seinen Erzählungen greift er auf sie zurück und baut sie in seine Werke ein. Früher erzählte ihm die Großmutter Geschichten und in „Der weiße Dampfer“ ist es der Großvater, der sie seinem Enkel erzählt. Es ist das Märchen der „Gehörnten Hirschmutter“. Darin geht es um einen großen Stamm der Kirgisier, den Feinde eines Tages plötzlich überfallen und ausrotten, um das Land zu erobern. Nur zwei kleine Kinder überleben, weil sie beim Spielen nicht gefunden wurden. Als der Anführer die beiden sieht, befielt er einer alten Frau, diese zu töten, die ihrem Auftrag auch nachkommen will. Doch dabei hält sie die gehörnte Hirschkuh auf. Sie bittet die Alte, ihr die Kinder zu geben, da Menschen ihre Kälber getötet haben und sie nun die Mutter der beiden Waisen sein möchte. Die Alte überlässt die beiden der Hirschkuh, die mit ihnen zum Issyk-Kul reist, wo die beiden einen neuen Stamm gründen, der die Hirschkuh verehrt wie eine Heilige. Und jedes Mal, wenn ein Kind geboren wird, bringt sie auf ihrem Geweih eine Wiege. Großvater Momun glaubt ganz fest an das Märchen der gehörnten Hirschmutter. Erst recht, nachdem die Marale, so glaubt der Großvater, ihn und Oroskul vor einer großen Gefahr gerettet haben. Der Junge und der Großvater verehren darum die Marale und haben große Ehrfurcht vor ihnen. Das ist auch der Grund, weshalb für die beiden die Welt zusammenfällt, als Oroskul den Großvater zwingt, eines dieser wertvollen Geschöpfe zu töten. Der kleine Junge hat die feste Hoffnung, die Hirschkuh würde dem Onkel eine Wiege bringen und endlich würde alles gut werden. Doch Orokul macht alle seine Hoffnungen zunichte.

In „Der Schneeleopard“ ist es die Geschichte der „Ewigen Braut“. In diesem Märchen wird eine junge, hübsche Braut kurz vor ihrer Hochzeit von eifersüchtigen Burschen des Dorfes entführt. Ihrem Bräutigam hingegen erzählt man, sie würde ihn betrügen, welcher daraufhin verschwindet. Doch seine treue Braut ruft und sucht ihn fortan auf ewig in den tiefen Wäldern der Berge. Dieses Märchen begleitet Arsen Sammantschin duch die gesamte Handlung. Er plant eine Oper aus der Geschichte zu schreiben, die seine Aidina dann singen soll. Doch mit Aidina verschwindet auch die ewige Braut, zumindest vorerst. Als er Elesa kennen lernt und die beiden sich verlieben, wird die „Ewige Braut“ erneut lebendig.

Auch in „Das Kassandramal“ existiert ein Mythos, und zwar das der Kassandra.17 Zwar findet sie in der Erzählung keine Erwähnung, aber das Werk trägt diesen Namen und hat somit eine wesentliche Bedeutung für die Geschichte. In Verbindung mit Aitmatows Geschichte steht der Titel für den gesamten Inhalt des Werkes. Das Mal ist ein Zeichen für die zunehmende Zerstörung der Welt. Es ist eine Vorhersehung, der kein Glauben geschenkt wird und deren Glaubwürdigkeit vor allem durch die Machthabenden vernichtet wird. Durch die Verurteilung des Mals und seines Entdeckers durch den Präsidentschaftskandidaten verstummen die wahren und vernünftigen Stimmen und die Prophezeiung erfüllt sich.

5.3 Tiergestalten

Die Natur hat in Aitmatows Werken ebenso einen hohen Stellungswert wie die Mythen und Sagen. Ausdrucksstark und bildhaft gibt er seinen Lesern eine Vorstellung dieser Gedanken. Einen wichtigen Part stellen dabei Tiere dar, welche immer eine besondere Funktion oder Bedeutung für den Verlauf der Handlungen haben.

In „Der weiße Dampfer“ ist das Märchen der „Gehörnten Hirschmutter“ gleichzeitig die Tiergestalt. Der Glaube des Großvaters und des Jungen daran entscheiden über den Verlauf der Geschichte und das Schicksal des Jungens. Das Märchen trägt all seine Hoffnungen und dass der Großvater seinen Traum verraten hat, kostet den Kind das Leben.

In dem Buch „Das Kassandramal“ sind die Wale die Boten der Natur. Zu Beginn der Handlung, als der Futurologe Robert Bork über den Atlantik fliegt, erscheinen sie das erste Mal. Von oben herab verfolgt er eine ganze Herde von ihnen und misst diesen sofort viel Bedeutung bei. Er vertritt die Theorie, dass diese Wale ganz intuitiv spüren, was auf der Erde passiert und darauf reagieren. Die Wale stehen in enger Verbindung mit den ungeborenen Babys, die ebenfalls diese Empfindungen haben und dies durch das Kassandramal zeigen. Robert Bork meint, die Selbstmorde der Wale wären ebenfalls ein Zeichen der Angst vor der Weltzerstörung. Doch seine Deutungen werden nicht gehört, aber bewahrheiten sich schließlich, wie die Vorhersagen der Kassandra. Nachdem die Zeichen der klagenden Embryonen verschwunden sind, wirft sich eine ganze Walherde an die Strände und verendet dort.

Der Schneeleopard als Tier im Roman hat an sich keine Bedeutung in der Hinsicht Vorhersehung oder Symbol. Er ist ein Beispiel für die gesamte Tierwelt, die in diesem Roman in die Handlung eingebaut ist. Er steht für eine Rasse, die vom Aussterben bedroht ist und trotzdem gejagt wird - eine Problematik, die heute eine wesentliche Rolle spielt und der Aitmatow in diesem Werk seine Bedeutung gibt.

Ein Symbol allerdings tragen die Schwalben, denen Aitmatow im Roman das Zeichen der „Verkündung“ und „Warnung“ verleiht. Diese Schwalben erscheinen urplötzlich, als Arsen Sammantschins Onkel, ihn in den Kolchos als Dolmetscher des „Jagd-Bisnes“ einlädt. Immer wieder flattern die Vögel in das Zimmer und fliegen aufdringlich vor dem Fenster herum. Sie bringen Arsen zum Nachdenken, denn ihre Warnung bezieht sich auf die Leopardenjagd. Auch später ereignet sich nochmals ein ähnliches Schauspiel. Als die Jagdbegleiter den Journalisten in die ehemalige Schule entführen, um ihn zu zwingen, ihnen zu helfen, vollzieht sich das gleiche Ereignis noch einmal. Wieder lassen die Tiere nicht ab und zeigen damit die ausweglose und verzwickte Lage Arsens, und vor allem die Gefahr.

Den Tieren als Handlungsfiguren mit besonderer Symbolik ist Aitmatow in den meisten Werken treu geblieben. Tiere sind für Aitmatow Lebewesen mit Gefühlen und dass sie in den Erzählungen genauso eine wichtige Rolle spielen, beweist die Verbindung zwischen Mensch und Tier. Beide kommen mit Hoffnungen zur Welt, und wie sich in „Der Schneeleopard“ zeigt, gelangen beide in ähnliche Situationen. Die Schicksale stehen eng miteinander in Wechselbeziehung und sind voneinander abhängig.

5.4 Figurencharaktere

Im Mittelpunkt der Romane Aitmatows stehen meistens arbeitende Menschen und damit seine Werke in der Sowjetunion erscheinen konnten, mussten seine literarischen Figuren Züge des sozialistischen Realismus tragen.18 Es sind einfache Leute, die ihre Pflicht erfüllen und immer viel Verantwortung tragen. Oftmals müssen sie sich mit Problemen auseinandersetzen, die ihnen sehr zu Herzen gehen. Sie handeln in bestimmten Situationen, wie der Autor es für gut und richtig befindet und er sich mit ihnen identifiziert. So erklärte er in einem Gespräch: „Der Mensch, den ich darstelle, verhält sich fast wie ich zu den Erscheinungen der Geschichte, der Natur, dem Leben insgesamt.“19 Aitmatow steht eindeutig auf der Seite der Gerechtigkeit. Diese wiederum erfahren nur die positiven Helden seiner Werke. Er bildet immer zwei Gegensätze zueinander. In der Figurenkonstellation stehen sich Gut und Böse gegenüber. Dabei lässt sich feststellen, dass das Böse meist etwas überspitzt dargestellt wird. Diese Art der Menschen besteht nur aus Machtgier, Karrierismus und Verachtung gegenüber den werktätigen Leuten, wie die guten Helden in Aitmatows Werken beschrieben werden.

In „Der weiße Dampfer“ ist der Onkel Oroskul das beste Beispiel für eine derartige Charakteristik. Er verkörpert so ziemlich alle Eigenschaften eines negativen Menschen. Seine Frau schlägt und verprügelt er und den alten Momun schikaniert er in jeder möglichen Situation. Er nutzt seine Macht aus, um andere zu unterdrücken. Für den fleißigen Arbeiter steht in diesem Werk der Großvater. Wie in vielen Werken der sozialistischen Literatur ist es der Werktätige, dem Aitmatow die Rolle des Guten zuspricht. Erst in späteren Werken verleiht er diesen Charakter mehr dem Intellektuellen.

Im Werk „Das Kassandramal“ ist die Unterscheidung schwerer herauszulesen. Man sieht zwar sofort, dass die positiven Helden mehr die intellektuellen Personen wie den Futurologen und Anthony Junger verkörpern. Aber eindeutig differenzieren lässt sich das erst am Ende des Romans, denn die Figuren wandeln sich im Laufe der Erzählung. Der Mönch Filofej ist zu Beginn schwer einzuordnen und auch sein Bekenntnis über die Versuche an Frauen, wodurch er das Kassandramal schließlich entdeckt hat, macht ihn dem Leser unsympathisch. Doch sein Handeln hat gewisse Ursachen. Es ist seine Kindheit – ohne Eltern – die letztendlich Mitleid erregt. Auch sieht er seine Fehler ein und endet durch seinen Selbstmord vor der grausamen Welt selbst als Opfer. Der Präsidentschaftskandidat hingegen entwickelt sich zum Schlechten hin. Erst ist er der langjährige Freund des anerkannten Futurologen Robert Bork und dann verrät er ihn an die Bevölkerung, um die Wähler auf seine Seite zu bringen und die Macht zu erringen. Ihm ist es egal, dass sein Freund ihn immer unterstützt hat und er opfert ihn der Öffentlichkeit.

In „Der Schneeleopard“ ist die Unterscheidung noch schwieriger. Den „positiven Part“ hat der Journalist Arsen Sammantschin inne. Ihn trifft ein Schicksalsschlag nach dem anderen und trotzdem entscheidet er sich für die Rettung der Tiere und opfert sich dadurch selbst. Die bösen Charaktere sind in diesem Fall die Jagdtreiber, die Arsen zwingen, bei der Entführung mitzumachen. Sie kennen keine Gnade mit dem Journalisten und beharren auf ihrem Plan. Allerdings werden sie zu solch einer Tat von den äußeren Umständen her gezwungen. Sie zeigen die Gegensätze und Ungerechtigkeiten des Kapitals auf. Auch wollen sie niemanden töten, sondern lieber alles ohne Blutvergießen erreichen. Dies zeigt, dass Aitmatow zwar bestimmte Ziele verurteilt, aber auch die Wurzeln solcher Handlungen kennt und dies genauso ungerecht empfindet: „Die einen verbrennen einen Superjeep zum Vergnügen, und die anderen – das sind wir! [die armen Leute, Anm. Verf.] – können den Kindern für den Weg zur Schule keinen Schuhe kaufen.“20 Aitmatow lässt an den bösen Charakteren nie ein gutes Wort. Er hasst das Böse und lässt ihm keine Gerechtigkeit widerfahren, beurteilt also nicht immer objektiv. Aber seine Charaktere werden mit der Zeit undurchsichtiger. Lassen sich seine früheren Werke noch in gut und böse unterteilen, so muss man in seinen neueren Erzählungen intensiver darüber nachdenken, denn die Menschen verändern sich mit dem Wandel der Geschichte.

5.5 Gestaltungsaufbau

Aitmatows Werke sind von einer schlichten Erzählweise geprägt und haben dennoch eine eher komplizierte Struktur. Er verwendet in „Der weiße Dampfer“ einen schwierigen Aufbau, eine typische Situation aber in völlig unnormalen Verhältnissen. Es ist die Abgeschiedenheit des Handlungsortes, wodurch eine Konfliktlösung von außen sehr schwer möglich ist. Damit kann sich der Konflikt immer weiter entwickeln und zuspitzen. Die Novelle besteht aus zwei Handlungsebenen. Die eine sind die realen, wirklichen Ereignisse – das Leben in der Försterei – und das andere ist die Märchenparabel der gehörnten Hirschmutter, in deren Welt sich der kleine Junge immer wieder verkriecht. Beide Geschichten werden erst einzeln vorgestellt und überlagern sich dann mehr und mehr. Die Geschehnisse in der Wirklichkeit erhalten durch die Einbeziehung der Legende einen philosophischen Charakter. Die Legende stellt keine Ausschmückung des Werkes dar, mit ihr lässt sich die ganze Erzählung deuten, ebenso wie bei der Sage der Kassandra. Auch bei dieser Erzählung gibt es zwei Handlungsebenen. Sie spielen sich allerdings hintereinander ab. In der ersten Handlung steht das Kassandramal im Vordergrund und die Versuche Borks, es den Menschen verständlich zu machen. Die Bemühungen scheitern und es geschieht das Vorhergesehene. Die Welt, so scheint es, ist noch nicht weit genug für eine derartige Entdeckung. Danach schließt sich die zweite Handlung an. Es ist der Epilog des Mönches Filofej, der darin seine gesamte Lebensgeschichte erzählt. Er beginnt mit dem Aufwachsen im Waisenhaus, Studium und schließlich Forschung. Er beschreibt, wie er an Frauen experimentiert hat, um ihnen Embryonen für die Forschung einzupflanzen. Seine Lebenseinstellung ändert sich, als er das Kassandramal entdeckt. Er entschuldigt sich am Ende des Epilogs für das Durcheinander auf der Welt, welches er verursacht hat.

In „Der Schneeleopard“ sind es auch wieder zwei Geschichten, die sich gleichzeitig abspielen. Das Leben des Schneeleoparden stellt die eine und das des Journalisten Arsen die andere dar. Beide Figuren zeigen Parallelen. Beide werden verstoßen und verachtet, weil sie nicht mehr gebraucht werden. Der Schneeleopard ist alt und wird von der Lebensgefährtin und den Artgenossen verstoßen. Arsen passt sich der Gesellschaft nicht an und wird von der Geliebten und der Gesellschaft „vor die Tür gesetzt“. Das Schicksal führt sie zusammen und beide Handlungen gehen wieder ineinander über. Obwohl es zwei unabhängige Welten sind, in denen diese Handlungen stattfinden, fügen sie sich immer mehr zusammen. Das Schicksal von Mensch und Tier ist somit in diesem Roman eng miteinander verknüpft und so, wie der Mensch heute und in Zukunft seine Verantwortung für die Erde und alle seine Bewohner wahrnimmt, so wird sich das Schicksal für das Leben auf der Erde entscheiden.

5.6 Gesellschaftskritiken

Aitmatow ist ein Schriftsteller, der seine Handlungen gegenwartsbezogen schreibt und so geschichtliche Ereignisse in seinen Werken verarbeitet. Handlungsort ist seine kirgisische Heimat und er bewertet in seinen Werken die gesellschaftlichen Veränderungen und Vorgänge kritisch.

In seinen Erstlingswerken verarbeitet er die Kriegserlebnisse aus seiner Vergangenheit, er empfindet Abscheu vor jeder kriegerischen Handlung und verurteilt sie. Indem er die Grausamkeiten beschreibt, die die Bevölkerung erlebt, gibt er ein erschreckendes Beispiel und er zeigt eindeutig seine Meinung gegen Krieg und Gewalt, die man in den Werken „Goldspur der Garben“ und „Djamila“ erkennt.

In seiner Novelle „Der weiße Dampfer“ bezieht sich seine Kritik auf gewisse Charaktere des Sozialismus, gemeint ist damit Oroskul. Er ist voller Hass, Brutalität und Machtgier und immer nur darauf aus, zu gewinnen. Es ist der Mensch, der nur auf Kosten von anderen handelt, um seinen Willen zu erreichen. Aitmatow verachtet diese Menschen und prangert auch zu dieser Zeit schon die sinnlose Ausbeutung der Natur an. Durch das Abholzen der Wälder und das Töten der Marale, von dem er in seinem Buch als grausame Tat schreibt, positioniert er auch hier schon eindeutig seine Haltung, dass der Mensch die Natur schützen muss und dass der Raubbau an der Natur katastrophale Auswirkungen hat.

Über sein Werk „Das Kassandramal“ bestätigt Aitmatow selbst seinen Gegenwartsbezug: „Mein persönliches Echo auf die Zeit nach der Perestroika“21. Damit beginnt für ihn eine Zeit, seine Meinung direkter veröffentlichen zu können. Seine Kritik wird deutlicher. Er spricht in dieser Erzählung ganz direkt das Problem der Weltzerstörung und der Gewalt und alles Grauen auf der Erde an. Er versucht, die Menschheit zu warnen und anhand des tragischen Ausgangs des Romans den Menschen die Augen zu öffnen, dass diese eben nicht so einfältig reagieren wie in seiner Erzählung, sondern der Vernunft folgen. Hier bemerkt man die enge Zusammenarbeit mit Michael Gorbatschow. Beide treten für eine weltweite Abrüstung ein.

Auch in “Der Schneeleopard“ geht er stark auf die Natur ein. Mit dem „Jagd-Bisnes“ und der dadurch zunehmenden Ausrottung der Tiere dort, spricht er ein Beispiel an, das für viele Pflanzen und Tiere zutrifft. Umweltzerstörung ist ein Gegenwartsproblem und die Ausrottung seltener Tiere nur ein Teil davon. Sein Roman ist eindeutig ein Werk der Gegenwart, denn er bezieht sich auf eine Gesellschaft der heutigen Zeit. Seine Kritik bezieht sich besonders auf die Ungerechtigkeiten der kapitalistischen Gesellschaft, die den Menschen zwingt, Dinge zu tun, die er eigentlich verachtet. Nur um Profit zu machen, gründet man in den Bergen ein „Jagd-Bisnes“ und bringt den natürlichen Zustand durcheinander. Das Geld teilen sich die Leute, die wissen, wie man Profit macht und die die Folgen gewissenlos in Kauf nehmen. Die arabischen Prinzen haben sich durch ihren Erdölbesitz so viel Reichtum angeeignet, dass ihnen „[…] die 20 Millionen weniger gar nicht auffallen.“22 Die Kluft zwischen arm und reich wird immer größer und im Roman eskaliert diese Ungerechtigkeit in Gewalt, die die Täter eigentlich verachten. Nur darin sehen einige die Möglichkeit, sich und ihre Familien am Leben zu halten. Dabei wollen sie Blutvergießen vermeiden, sind aber entschlossen, notfalls auch zu töten. Es ist die Gesellschaft, die Menschen zu Verbrechern macht und die Aitmatow hier stark kritisiert, ohne den politischen Hintergrund zu vergessen, nicht allein die Armut lässt sie unmenschlich werden, auch durch Kriegseinsätze sind sie geprägt.


17 Kassandra ist nach der Sage die Tochter des Trojanerkönigs Priamos. Sie ist wunderschön und besitzt die Gabe einer Seherin. Aber da sie Apollon ihre Gunst versagt, bewirkt dieser, dass niemand mehr ihren Weissagungen, wie der Falle des Trojanischen Pferdes, Glauben schenkt. Nach Trojas Untergang wird Kassandra zur Beute des Gottes Agamemons, der sie zu seiner Geliebten macht. Aus Eifersuchtsgründen erschlägt seine Frau Klytäömnestra die schöne Kassandra.
18 Erklärung der sozialistischen Literatur: „Nach der Theorie der Dialektik zwischen Basis und Überbau sollte der Schriftsteller das neue Klassenbewusstsein beschreiben und in seinen Werken den Fortschritt des Aufbaus der neuen sozialistischen Gesellschaft spiegeln […] Die Literatur solle […] „Arbeitsfreude und Optimismus“ vermitteln.“
19 Besprechungen zur Gegenwartsliteratur Band 3, Seite 17
20 Tschingis Aitmatow in seinem Roman „Der Schneeleopard“, 2.Auflage 2007
21 Anmerkung zu seinen Werk „Das Kassandramal“
22 Tschingis Aitmatow in seinen Roman „der Schneeleopard“ ,2. Auflage, Seite 146

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