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5 Instrumentarium der deutschen Verteilungspolitik

4.1 Einkommenspolitik

4.1.1 Die Lohnpolitik als NG-Instrument1 der primären, nicht imperativen Einkommenspolitik

Da in Deutschland eine informative Einkommenspolitik betrieben wird sind die wichtigen Akteure die Gewerkschaften als Vertreter der Arbeitnehmer und die Arbeitgeberverbände als Repräsentanten der Arbeitgeber. Deutschland weist auf beiden Seiten ein hohes Maß an Organisation auf. So vertritt der DGB2 insgesamt 7,773 Millionen Mitglieder. Die BDA4 ist in 55 Brachenverbänden über das gesamte Bundesgebiet organisiert. Beide Seiten haben in den letzten Jahrzehnten grob gegliedert zwei Positionen vertreten. Als ‚Produktivitätsorientierte Lohnpolitik’ wird jene Strategie bezeichnet, welche der BDA wie folgt erläutert:

„Die Bundesvereinigung ist nach wie vor der Auffassung, dass im Interesse der gesamtwirtschaftlichen Ziele (Preisstabilität, hoher Beschäftigungsstand und wenig Wirtschaftsabwanderung) die Gesamtarbeitskosten dem Grundsatz nach im Durchschnitt nicht stärker erhöht werden sollen als um den Prozentsatz, um den sich die gesamtwirtschaftliche Produktivität, gemessen als reales Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde erhöht. Von diesem wird der Einsatz der Unternehmer zur Produktivitätssteigerung abgezogen.“5

Diese Form der Lohnpolitik klingt einleuchtend. So kann natürlich nur mehr verteilt werden wenn auch tatsächlich mehr erwirtschaftet wurde. Doch verstößt dieses Prinzip aus zwei Gründen gegen den Grundgedanken der Einkommenspolitik eines Sozialstaates. Zuerst einmal beinhaltet diese Strategie keine Umverteilung des primären Einkommens sondern eine Forcierung beziehungsweise eine Polarisierung, da das Vermögen der Unternehmen zu Lasten der Lohnpolitik erhöht wird. Dieser Trend schlägt sich in folgenden Zahlen nieder: Die Entwicklung der Vorstandsgehälter folgender Großunternehmen Deutschlands zwischen 1997 und 2000: Bank plus 458 Prozent, Deutsche Telekom plus 52 Prozent, Hypo Vereinsbank plus 155 Prozent, DaimlerChrysler plus 283 Prozent, E.on plus 192 Prozent, Siemens plus 156 Prozent, Allianz plus 119 Prozent. Im Vergleich dazu die Entwicklung der realen Durchschnittsgehälter: 8,9 Prozent. Ein zweiter Grund, welcher diese Strategie konträr zur Einkommenspolitik eines Sozialstaates erscheinen lässt, ist die Messung der Produktivität in BIP pro Erwerbstätigenstunde. Diese Messung lässt eine Rationalisierung von Arbeitsstellen zu und somit eine Einkommensverteilung von unten nach oben ohne eine rechnerische Produktivitätssteigerung erkennen zulassen. Doch da dieses Modell auf dem erst Blick logisch und wirtschaftlich sinnvoll scheint, lässt es sich leicht propagieren und wird durch die Bundesregierung in ihrer informativen Funktion beim Lohnbildungsprozess unterstützt. Die Strategie zur Lohnpolitik des DGB fasst dieser im eigenen Grundsatzprogramm wie folgt zusammen:

„Die gegenwärtige Einkommens- und Vermögenspolitik ist ungerecht. Deshalb kämpfen die Gewerkschaften um einen gerechten Anteil der Arbeitnehmer am Ertrag ihrer Arbeit. Der Umfang der Beteiligung der Arbeitnehmer am Ergebnis der wirtschaftlichen Tätigkeit ist ein wesentlicher Maßstab für soziale Gerechtigkeit. […] Eine aktive Tarifpolitik ist auf eine gerechte Verteilung des Sozialproduktes gerichtet. Diesem Ziel müssen auch alle wirtschaftlichen Maßnahmen dienen.“6

Diese Strategie wird durch die Wirtschaftswissenschaften als ‚Verteilungsaktive Lohnpolitik’ bezeichnet und dahingehend kritisiert, dass eine Erhöhung des Lohnes über die Produktivitätssteigerung hinaus entweder eine Preissteigerung, welche in Form einer Inflation diese Lohnsteigerung wieder auffrisst, oder ein Wettbewerbsdruck in Richtung der so genannten ‚Billiglohnländer’ nach sich zieht. Doch damit ist das Ziel dieser Strategie falsch bestimmt. Denn es ist lediglich das Ziel die Gewinne der Volkswirtschaft gleicher zu verteilen. Dies meint, dass das Unternehmen selbst erkennen muss, dass es nötig wird die Vorstandsgehälter zu vermindern, wenn es nun mehr Geld für die Arbeitnehmer ausgeben muss. Dennoch bleibt diese Strategie gesellschaftlich nur geringfügig anerkannt, da sie zu große Ängste vor Inflation und Arbeitslosigkeit in der Bevölkerung schürt. Doch viel entscheidender als Art und Akzeptanz der Lohnpolitik-Strategie für die Beurteilung der Notwendigkeit der aktuellen Lohnpolitik für eine gerechte Einkommensverteilung sind die Machtverhältnisse der jeweiligen Seiten. Welche Seite kann ihre Strategie durchsetzen. Die wenig überdachte Antwort lautet dann zumeist: „Die Arbeitnehmer“. Das ist zum einen im Sinne des Egalitätsprinzips erfreulich, da somit anerkannt wird, dass die Arbeitnehmer die Werte einer Gesellschaft erwirtschaften und somit zu großen Teilen über die Verteilung des entscheiden dürfen, zum anderen jedoch entzieht sich diese Erkenntnis der Realität. Denn das einzig wirksame Mittel der Arbeitnehmer ist das Einstellen der Arbeit. Dies fällt vor allem in Zeiten mit hoher Arbeitslosigkeit schwer, da hier jederzeit Arbeitskräfte bereit stehen, welche die Arbeit übernehmen können. Viel schwerwiegender jedoch ist die Erkenntnis, dass ein Streik wie beispielsweise der Bahnstreik der Jahre 2007/08 in der Bevölkerung nur wenig Akzeptanz findet. Der Politik, da sie durch demokratische Prozesse an die Meinung der Bevölkerung gebunden ist, fällt es schwer im Sinne des Sozialstaates in ihrer informativen Rolle für eine Durchsetzung der Arbeitnehmerinteressen zu sorgen. Somit ist klar, dass es verstärkt Prozesse der sekundären Einkommensverteilung benötigt beziehungsweise ein imperatives Eingreifen des Staates in die Lohnbildung.

4.1.2 Anwendung der Besteuerung als Instrument der sekundären Einkommensverteilung in Deutschland seit 1990

Im Bezug auf dieses Thema ist ohne Zweifel auch die Besteuerungsentwicklung seit 1990 zu nennen. Als Rahmenbedingungen für diese Entwicklung sind die entstanden Kosten der Neuvereinigung von 1990 und die erhöhte Arbeitslosen- und Rentenlast für den deutschen Sozialstaat zu nennen. 1975 musste ein Arbeitnehmer durchschnittlich Sozialabgaben in Höhe von 2615 DM und heute von 8312 DM7 ableisten.

Steuerentwicklung 1990-2002 in Mrd. DM

 




Lohnsteuer

Einkommenssteuer

Körperschaftssteuer

Gewerbesteuer

Vermögensteuer

Umsatzsteuer

Mineralölsteuer

990

1995

2000

2001

2002

Veränd. 1990-2002

177,6

36,5

30,1

38,8

6,3

146,6

34,6

282,7

14,0

18,1

42,2

5,8

234,6

64,9

326,0

24,8

k.A

52,9

-

275,5

74,0

318,0

17,2

k.A.

48,0

-

271,7

79,6

319,1

14,3

5,6

57,4

-

270,3

82,5

+ 141,5

- 22,2

- 24,5

+ 18,6

- 6,3

- 123,7

+ 47,9

Die Regierung KOHL konnte sich nicht dazu durchringen die Finanzierung des Sozialstaates auszubauen. Stattdessen orientierte man sich immer mehr nach der Angebots-theorie. Diese sieht Gewinne in der selbstständigen also der unternehmerischen Arbeit als Grundvoraussetzung für sichere Arbeitsplätze. Die wichtigsten Unternehmersteuern (Körperschaftssteuer für Kapitalgesellschaften und Einkommenssteuer für Personengesellschaften) trugen 1983 also am Anfang der Regierungszeit Kohls noch 13,3 % der Gesamtsteuerlast der BRD. 2002 war dieser Anteil auf 4,3 % zusammengeschmolzen. Dies schlug sich zum einen in einer erhöhten Verschuldung aber auch in einer größeren Steuerlast für unselbstständige Arbeit nieder. Dennoch klagten die Arbeitgeberverbände über zu große Steuerlasten, so dass sich Hans MUNDORF, der Chefredakteur des Handelsblattes 2003 zu folgender Aussage hinreisen lies:

„Die Steuerlast, über die die deutsche Wirtschaft immer noch klagt, ist eher ein Phantomschmerz“8

Konjunkturpolitisch war die Angebotsorientierung ein Flop. Der Trend am Arbeitsmarkt konnte nicht umgekehrt werden und mündete in Agenda 2010. Es ist klar, dass die Einkommensversteuerung ein sehr effektives Mittel der sekundären Einkommensverteilung ist. Doch wurde sie im Deutschland der Nachwendezeit falsch eingesetzt. Schließlich ist es sinnvoller das Einkommen in Richtung der breiten, wenig besitzenden Massen, welche ihre Grundbedürfnisse noch nicht ganz befriedigen können, zu verteilen, denn es ist wesentlich wahrscheinlicher, dass ein wenig besitzender Mensch seine Grundbedürfnisse vollkommen befriedigen wird und somit die Nachfrage steigert als dass ein wohlhabender Mensch sein Mehreinkommen vollständig zur Nachfragesteigerung einsetzen wird. Walter EUCKEN drückte diesen Zusammenhang mit folgenden Worten aus:

„Die Ungleichheit der Einkommen führt dahin, dass die Produktion von Luxusprodukten bereits erfolgt, wenn dringende Bedürfnisse von Haushalten mit geringem Einkommen noch Befriedigung verlangen“9


1 Ableitung von NGO (non governmental organization; dt.: nicht Regierungsorganisation) analog dazu: nicht Regierungsinstrument
2 Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
3 (http://www.dgb.de); Stand: 01.06.2008
4 Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA)
5 Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (Hrsg.): „Katalog der zu koordinierenden lohn- und tarifpolitischen Fragen“; 16.03.1978.
6 Deutscher Gewerkschaftsbund (Hrsg.): „Grundsatzprogramm des DGB“; 1981.br> 7 SPIEGEL - 11. Juni 2003 in (http://www.spiegel.de/wirtschaft/ 0,1518,252498,00.html) Stand: 05.06.2008.
8 Mundorf, H in „Handelsblatt“, Seite 2, 25.08.2003.br> 9 Zitiert aus Eucken, W: „Wirtschaftmacht und Wirtschaftsordnung“, Seite 23; Münster, 1959.

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